1864

Musik, Tanz und Gesang

Das Trocadero durfte ab der vorletzten Jahrhundertwende mit Fug und Recht den Titel vornehmstes Etablissement Hamburgs für sich beanspruchen. Kuppel und Nachtprogramm waren mondän und den eigentlich zurückhaltenden Hanseaten passte es gut, dass der Zugang unauffällig an der Buchhandlung C. Boysen vorbei führte.Das Trocadero war riesig und sein Nachtprogramm legendär. Das mondänste Etablissement Hamburgs war abgeschirmt von einem unauffälligen Bau aus dem Jahr 1864 und erst dahinter traf sich die große Welt unter der Riesenkuppel.
990 Quadratmeter hatte der erfolgreiche Gastronom Julius Gertig anno 1890 für 330.000 Mark überbauen lassen. Vierzehneinhalb Meter überspannte die Glaskuppel, acht Bogen- und 450 Glühlampen verzauberten den Raum. 90 davon ließ allein der Kronleuchter von fast vier Metern Durchmesser erstrahlen. »Feensaal« hatte Gertig seinen pompösen wilhelminischen Kulissenzauber genannt, der ein Riesenrestaurant, tägliche Konzerte, fünf Kegelbahnen und einige Billardtische bot.

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Als Gertig 1898 starb, hinterließ er der »Wiener Renngesellschaft« ein Prachtstück. Und die Wiener wussten, wie sie die Hanseaten verführen konnten.
Ab zehn Uhr abends war man hier aufs Schickste aufgehoben und konnte bis vier Uhr nachts nach der Karte speisen. Es galt Frackzwang und Smoking zum Abendanzug. Fünfzehn Damen waren alleine an der langen Bar im ersten Stock zur Unterhaltung da. Kabarett lockerte im Saal die Stimmung, beste Schau- und Tanzkapellen spielten auf und Gesellschaftstänzer standen auf Wunsch den Damen zur Verfügung.
Im Trocadero unterminiert, wie der Schriftsteller Hardbeck 1930 schrieb, schon die Musik den moralischen Halt. Entsprechend rot waren die Tapeten, vielsagend die flüsternden Grüppchen in den Logen und wohltuend das Gerücht, hier finde mit Sicherheit der größte Sektverbrauch des Landes statt.
Dann kam der Krieg mit Tanzverbot. 1940 gab es ein Zwischenspiel mit dem Kabarett »Die Gondel« und dann kam das Aus mit Brand- und Sprengbomben. 1954 baute der Hamburger Gastronom Adolf Gustav auf dem vorderen Teil des Grundstücks ein Bürohaus. Der hintere Teil des Grundstücks wurde Anfang der 1970er Jahre von dem Hanse-Viertel bebaut.