1885

Kontorhäuser als Blickfang

Hamburg war immer eine Stadt der Moderne, des Neu- und Umbaus. Nach dem verheerenden Großbrand 1842 entstand die »Nachbrandarchitektur«, die den modernen historistischen Rundbogenstil mit der klassizistischen Formensprache verband. Prägend für die Großstadtarchitektur aus jener Zeit wurden die Mietbürogebäude – die typischen Hamburger Kontorhäuser, die noch heute beeindrucken.
Die Speicher wurden aus der Innenstadt in die neu errichtete Speicherstadt verlagert, ebenso wie die Wohnhäuser der Kaufleute in die neuen Vororte. Nur die Kontore oder Geschäftslokale blieben zurück. Namhafte Architekten entwickelten das Hamburger Kontorhaus. Dies war eine in Deutschland neue, und nach englischen und amerikanischen Vorbildern entwickelte Baugattung des Mietbürohauses. Die Büroräume konnten den speziellen Wünschen der Mieter angepasst werden.
Der Architekt Martin Haller erbaute 1885/86 den Dovenhof als erstes Kontorhaus. Der Hof war auch das erste Gebäude mit eigenständiger Stromzentrale und – als besondere Neuheit – mit einem Paternoster-Fahrstuhl ausgestattet. Paternoster gehörten nachfolgend zur Grundausstattung aller Kontorhäuser, wie auch moderne Klima- und Kommunikationstechniken. Die Gemeinschaftsräume waren zu funktionalen Einheiten zusammengeschlossen. Es gab zentrale Sanitäreinrichtungen und eine moderne, zentralisierte Haustechnik. Um 1900 wurde Hamburg als sehr amerikanisch beschrieben, und gleichgesetzt mit Dynamik, Tempo, technischer Modernität und Großstadtzivilisation. Der Prozeß der Citybildung lief in mehreren Städten zur gleichen Zeit ab, aber nicht so schnell und konsequent wie hier.
Vor allem in der Innenstadt entstanden ganze Straßenzüge mit den typischen Hamburger Kontorhäusern. So wurden in der Straße Große Bleichen wie auch in der König- und Poststraße viele Häuser im Kontorhausstil um 1900 wieder aufgebaut. Namhafte Architekten wirkten daran mit, z.B. Streits Hof (Frejtag & Elingius), Henneberghaus (Meyer) und Kaufmannshaus (Stammann & Zinnow). Besonders große Kontorhäuser in den Großen Bleichen waren das Kaufmannshaus und die Kaisergalerie (Grossner).

Aber auch in anderen Stadtteilen prägte der Kontorhausstil das neue Stadtbild, so das Kontorhausviertel mit dem Chilehaus. Die Trennung zwischen Wohn- und Geschäftshäuser, die in den Kontorhäusern vorherrschte, wurde 1933 in der »Charta von Athen« zum Dogma des Städtebaus erhoben. In den 1970ern und 80ern wurden die meisten Kontorhäuser entkernt und der modernen Büro- und Ladenentwicklung angepaßt. Die Form wird ständig weiterentwickelt.