1904

Anwaltskanzlei Dr. Herbert Ruscheweyh

In dem 1904 erbauten Australhaus unterhielt der Rechtsanwalt und SPD-Politiker Dr. Herbert Ruscheweyh seit Anfang der 1920er Jahre eine Kanzlei. Ruscheweyh gehörte zu den erklärten Gegnern der Nationalsozialisten und übte bis 1933 das Amt des Bürgerschaftspräsidenten aus. Er verteidigte zahlreiche politisch Verfolgte.Dr. Herbert Ruscheweyh (1892-1965), seit 1928 Mitglied des Vorstands der Hanseatischen Anwaltskammer, zählte zu den bekanntesten Rechtsanwälten der Hansestadt. Zusammen mit Dr. Max Eichholz und Dr. Ernst Häckermann unterhielt er eine Sozietät im Australhaus, Königstraße 7/9 – heute Poststraße 17/19.
1927 kandidierte Ruscheweyh erfolgreich für die Bürgerschaft. Der SPD-Abgeordnete übte von November 1931 bis März 1933 das Amt des Bürgerschaftspräsidenten aus. Ihm oblag die schwere Aufgabe, am 8. März 1933 den unter Führung der Nationalsozialisten gebildeten neuen Senat zu vereidigen. Ruscheweyh forderte rechtsstaatliche Prinzipien ein und widersetzte sich der NS-Willkür. So verlangte er als Bürgerschaftspräsident Anfang März 1933 vom Senat Aufklärung über die Verhaftung von Abgeordneten der KPD. 7_sozietaet_briefkopf_ruscheweyh2_v2

Nachdem Ruscheweyh abgesetzt und die SPD verboten worden war, übernahm er die Verteidigung von politisch Verfolgten vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht. 1934 entzogen die Nationalsozialisten ihm die Zulassung für dieses Gericht. Sein Partner in der Sozietät, der Bürgerschaftsabgeordnete der Deutschen Demokratischen Partei (DDP) Max Eichholz, wurde als Jude verfolgt und später ermordet. Ruscheweyh hielt während der NS-Zeit Kontakt zu politischen Freunden und war über die Vorbereitung des Attentats vom 20. Juli 1944 informiert. Im Rahmen der groß angelegten Verhaftungswelle nach dem Scheitern des Attentats wurde er vom 22. August bis zum 18. September 1944 im KZ Fuhlsbüttel gefangen gehalten.

Unmittelbar nach der Befreiung beteiligte sich Ruscheweyh am demokratischen Aufbau. Am 27. Februar 1946 eröffnete er als letzter demokratisch gewählter Bürgerschaftspräsident die von der britischen Militärregierung ernannte Bürgerschaft. In die Politik kehrte er jedoch nicht zurück. Er widmete sich ganz dem Aufbau eines demokratischen Rechtswesens. Nachdem er zum Präsidenten der Anwaltskammer gewählt worden war, übernahm er am 2. Januar 1946 das Amt des Vizepräsidenten des Hanseatischen Oberlandesgerichts. Am 1. Oktober 1946 wurde er Präsident des Gerichts.
Ruscheweyh amtierte von 1948 bis 1951 als Präsident des Deutschen Obergerichts für das vereinigte Wirtschaftsgebiet in Köln, wirkte an der Hamburgischen Verfassung von 1952 mit und wurde erster Präsident des Hamburgischen Verfassungsgerichts. Sein Ruf als anerkannter Jurist reichte weit über die Grenzen Hamburgs hinaus. In Anerkennung seiner Verdienste wurde ihm 1961 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern und Schulterband des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen.